EDWARD'S LECTURE NOTES:
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C O U R S E 
Orientierung Geschichte
Prof. Dr. Rainer Leng, Universität Würzburg
https://iversity.org/en/courses/orientierung-geschichte
C O U R S E   L E C T U R E 
Geschichtswissenschaft
Notes taken on October 16, 2016 by Edward Tanguay
die Subjektivität des Betrachtes
beim Blick auf die Vergangenheit, bleibt auch der Historiker ein Teil seiner Gegenwart
er ist vorgeprägt durch seine Erfahrungen, Ausbildung, Interessen und seine historischen und politischen Gegebenheiten seiner Zeit
es gibt einen markanten und unauflöslichen Unterschied zwischen
1. der objektiv abgelaufenen Geschichte
2. einer Aufarbeitung einer Vergangenheit, die stets Gegenwart orientiert ist und damit subjektiv bleibt
man ist verpflichtet seine Quellen, Methoden und Zugänge offenzulegen
jeder Punkt ist verifizierbar, falsifizierbar und damit diskussionswürdig
trotz geschärfter Methodik und Erfahrung, bleibt das Grundproblem
der Historiker bleibt immer eine Person seiner Zeit und ihrer typischen Sichtweisen und Fragestellungen
das Mittelalter hatte ein geschlossenes Geschichtsbild
die Geschichte begann mit der Erschöpfung
sie wurde mit dem jüngsten Gericht auch ein klar definiertes Ende besitzen
die Aufklärung bereitete diesem Geschichtsbild ein Ende
Leopold von Ranke (1795-1886)
er suchte nach einer Natur-der-Sache, die sich in ihrer Geschichte manifestiere
skeptisch gegenüber naturgesetzlichen Geschichtsabläufen betonte er die Verschiedenartigkeit und den Eigenwert historischer Phänomene
sein bevorzugter Gegenstand war der Staat und die Nation
man soll jede Epoche gleich behandeln und möglichst objektiv wie es eigentlich gewesen ist
das größte Thema seiner Zeit: die Suche nach einer deutschen Nation
lehnte tagespolitische Zielsetzung ab
aber seine Schüler wurde der Nationalismus zur Triebfedern ihrer Wissenschaftlichenarbeit
die Bewertung des mitteraltlichen Kaisertums
Wilhelm von Giesebrecht (1814-1889)
das Kaisertum war der zentrale Aspekt
eine Projektionsfläche einer historischen Identität, die es wieder zu beleben galt
war ein Verfechter eines großdeutschen Nationalstaates unter Einschluss Österreichs
Heinrich Karl Ludolf von Sybel (1817-1895)
ein Anhänger eines kleindeutschen Nationalstaates unter preußischer Führung ohne Österreich
Marx und Engels
konnten mit dem Historismus Rankes nicht viel anfangen
sie ließen sich von politischen Strömungen leiten, die nach gesetzmäßigen Abläufen der Geschichte suchen
sie gingen davon aus, dass die Gesellschaftsverhältnisse von den Produktionsweisen bestimmt werden
dieser historische Materialismus führt dann in ihrer Sichtweise zu nahezu naturgesetzlichen Übergängen von der klassenlosen Stangesgesellschaft zur Sklavenhaltung und Feudalgesellschaft, vom Kapitalismus zum Sozialismus
Geschichtswissenschaft des 20. Jahrhunderts
pluralistische Geschichtsbilder
auch diese sind nicht in ihrem Inhalt und ihren Methoden frei von historisch bedingten Strömungen
Marc Bloch (1886-1944) und Lucien Febvre (1878-1956)
1929 Annales d'histoire économique et sozial
Geschichtsbilder der Gegenwart
offene Kritik an den stark Personen, Daten und Objektivität fixierten Geschichtsschreibung
sie begründeten neue Geschichtsrichtungen
Mentalitätsgeschichte
Wirtschafts- und Sozialgeschichte
Alttags-, Umwelts- oder Geschlechtergeschichte
1980er Jahre
linguistische Sprachkritischewende
Richard Rorty, "The Linguistic Turn"
das Denken bestimmt nicht die Sprache, sondern die Sprache bestimmt das Denken
die Dinge selbst geraten aus den Fokus
analysiert werden viel mehr die sprachlichen Bedingungen
Hayden White (1928-)
Buch: "Auch Klio dichtet oder Die Fiktion des Faktischen"
Foucault (1926-1984) und Derrida (1930-2004)
wandte sich der historischen Diskursanalyse zu
untersuchte die soziale Artikulation historischer Bedingtheiten
Umberto Eco (1932-2016)
ein italienischer Schriftsteller, Kolumnist, Philosoph, Medienwissenschaftler
der bekannteste zeitgenössische Semiotiker
durch seine Romane, allen voran "Der Name der Rose", wurde er weltberühmt
Aby Warburg (18666-1929)
ein deutscher Kunsthistoriker und Kulturwissenschaftler und der Gründer der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg
Gegenstand seiner Forschung war das Nachleben der Antike in den unterschiedlichsten Bereichen der abendländischen Kultur bis in die Renaissance
von ihm wurde die Ikonografie als eigenständige Disziplin der Kunstwissenschaft etabliert
pictorial or visual turn
Bildquellen nicht nur als Illustration sondern
Geschichtsbilder sind mehr von nichtsprachlichen Zeichenverhältnissen bestimmt
momentane Diskussion
cultural turn
betrachtet die Gesamtheit der Kultur als Alltagspraxis
Wahrnehmungs- und Deutungsmuster historischer Akteuren werden von ihrer Umwelt untersucht
Aufgaben der Geschichtswissenschaft
Johann Gustav Droysen
deutscher Historiker und Geschichtstheoretiker
Droysen stellte sich bereits mit seinem Erstlingswerk Geschichte Alexanders des Großen (1833) in die erste Reihe der Historiker seiner Zeit
den Begriff "Hellenismus" erhob er anschließend mit seiner wegweisenden Geschichte des Hellenismus zur Epochenbezeichnung für die Zeit zwischen Alexander und Kleopatra
die Geschichte war die Grundlage der politischen Ausbildung
Heinrich von Treitschke (1834–1896)
deutscher Historiker, politischer Publizist und Mitglied des Reichstags von 1871 bis 1884
einer der zu seiner Zeit bekanntesten und meistgelesenen Historiker und politischen Publizisten in Deutschland
mit einem 1879 veröffentlichen Aufsatz löste Treitschke den Berliner Antisemitismusstreit aus, mit dem Satz "Die Juden sind unser Unglück", der später zum Schlagwort des nationalsozialistischen Hetzblattes "Der Stürmer" wurde
die Politik ist eine aktive Fortsetzung der Geschichte
heute glaubt niemand mehr ernsthaft an historische Studien als konkrete Handlungsanweisungen
Geschichte ist keine Politikberatung
sie erfüllt wesentlich wichtigere Funktionen
ihr Grundanliegen ist die methodische, d.h. nachprüfbare und kontrollierbare Rekonstruktion der Vergangenheit
dies geschieht innerhalb und auch für eine von unterschiedlichen historischen Wahrnehmungen geprägte gegenwertige Gesellschaft
damit fällt es ihnen die Verantwortung des Historikers deren Geschichtsbilder zu erweitern, mitzugestalten, und gegebenenfalls zu korrigieren
und das ist keine geringe Aufgabe
insofern lässt sich aus Geschichte doch etwas lernen
sie erzieht zu einem kritischen Blick auf Handlungen, Normen, Ordnungen und Weltvorstellungen
sie wird identitäts- und bewusstseinsbildend
mit dem Wissen über der Vergangenheit entsteht ein tieferes Verständnis unserer Gegenwart
Sie brauchen nur in die Nachrichten zu sehen, keine der größeren Konflikte unserer Zeit ist ohne seinen historischen Hintergrund verstehbar
Historiker sehen die Dinge nicht nur wie sie sind, sondern wie sie geworden sind
sie erschafft ein reflektiertes Gegenwartsverständnis und bietet letztlich doch Orientierungs- und Entscheidungshilfen